Burnout, Tapferkeit und Fahrräder
Ich höre immer öfter von Frauen, die mit Burnout zu kämpfen haben –
besonders zu Zeiten der Pandemie, wo die Grenzen zwischen Arbeit, Freizeit, mentaler Gesundheit und vielem immer mehr verschwimmen. Der steigende Druck kann zusammen mit den eigenen Ansprüchen an sich selbst schwer belasten. Hierbei spielt es keine Rolle, ob man eine wettbewerbsfähige Rennfahrerin, eine stylische Instagram Influencerin oder eine ständig repräsentative Markenbotschafterin sein soll.
Ich schreibe diesen Monat meinen Blog zum Thema Burnout,
weil ich mich um die talentierten Frauen in der Fahrradszene sorge, die auf einen Burnout zusteuern, ohne es zu bemerken. 2021 war ein olympisches Jahr und ein Jahr der Premieren für Radsportveranstaltungen im Frauen-Bereich. Die weltweit steigende Aufmerksamkeit auf den Frauen-Radsport kann zu hohem Druck führen – egal ob man eine Wochenend Shredderin ist oder die nächste Casey Brown werden möchte.
Ich glaube, dass wir Frauen täglich ein hohes Arbeitspensum abzuleisten haben,
welches uns mit Erschöpfung und Burnout durch den Alltag tanzen/schreiten (oder im Fall von uns Mountainbikerinnen, fahren) lässt. Hast du schon einmal mitbekommen, dass die Leute gegen Ende des Jahres und der Saison beiläufig im Gesprächsverlauf sagen „Ich bin ausgebrannt“. Dennoch bleiben sie ihrer Linie treu und bemerken, nicht wie es ihre mentale Gesundheit beeinflusst.
Die emotionale, geistige und körperliche Erschöpfung kann sich langsam einschleichen
ehe man sich versieht, kämpft man sich durch die Tage und versucht alle Räder am Laufen zu halten. Bis es zu spät ist – dann wird man krank, unmotiviert oder noch schlimmer – man gibt auf.
Burnout ist etwas, dessen ich mir stets bewusst bin
und das ich selbst schon erlebt habe. Der Kampf, mit allen Bällen im Leben gleichzeitig zu jonglieren ist allgegenwärtig. An einem gewissen Punkt lässt man sie fallen und hat das Gefühl am Ende meiner Kräfte zu sein. Aber woher wissen wir, wann man die Bremse ziehen oder wann man um Hilfe bitten muss?
Wie viele andere habe auch ich mein Wohlbefinden und meine geistige Gesundheit für selbstverständlich gehalten. Der Burnout ist nicht einfach vor meiner Haustür aufgetaucht und hat gesagt: “Guten Tag, hier bin ich.” Nein, wenn ich darüber nachdenke, bin ich eine Zeit lang langsam damit gefahren – und ich hasse es langsam zu fahren.
Zuerst wollte ich alles haben. Im nächsten Moment fiel es mir schwer mich zu einer gemütlichen Fahrt mit kleinen spaßigen Sprüngen aufzuraffen, einer Tätigkeit bei der die Energiespeicher maximal gefüllt werden können. Ich begann meine Arbeit, meinen Stellenwert, meine Fähigkeiten und meinen Wert auf dem Rad in Frage zu stellen und anzuzweifeln. Meine Leistung auf und neben dem Rad sank dramatisch. Das Schlimmste daran: Es war mir egal. In diesem Moment wusste ich, dass ich den Tiefpunkt erreicht hatte.
Ich dachte, meine Stärke läge darin, dem Burnout zu trotzen.
Ich war stolz darauf, dass ich in der Lage war, eine berufliche Karriere, den Leistungssport und ein soziales Leben unter einen Hut zu bringen – also lief ich wie mit einer rosa Brille umher, um die Anzeichen auszublenden. Aber es war allgegenwärtig. Der Burnout äußerte sich in meinem Körper in Form einer Erkältung, die ich nicht loswurde, Appetitlosigkeit und ständigen Kopfblockaden. Ich gab allen nur noch 50 % und mir selbst noch viel weniger.
Zum ersten Mal musste ich lernen NEIN zu sagen. Ich versuchte immer es allen Leuten recht zu machen und das ging mir gegen den Strich. Ich nahm nicht mehr an Veranstaltungen teil, distanzierte mich von Menschen und musste die sozialen Medien abschalten. Ich saß alleine da und meine Schuldgefühle gegenüber meinen Sponsoren, Arbeitskollegen und Freunden quälten mich.
Es dauerte ein paar Monate bis ich spürte, dass ich stärker wurde und ich hatte eine klare Vorstellung davon, was mir wirklich wichtig war und wie ich meine Radsaison beenden wollte. Es hat viel länger gedauert, als ich ursprünglich erwartet hatte, aber ich kann mit Freude sagen, dass ich jetzt vor Energie strotze, wieder Vollgas geben kann und dadurch auch stärker geworden bin.
Ich erholte mich von meinem Burnout, indem ich mein Arbeitspensum reduzierte, keine Rennen fuhr und im Gegenzug mit meinem Pivot-Pup und dem Switchblade entspannte Ausfahrten ohne Leistungsdruck machte.
Am Wichtigsten ist es, die Stadien des Burnouts rechtzeitig zu erkennen und nicht darauf zu warten, in die missliche Lage der Enttäuschung und des Scheiterns zu geraten. Glaube mir, das ist kein Spaß. Setze Prioritäten. Lege eine Pause ein. Streiche Dinge von deiner To-Do-Liste. Fahre Fahrrad so, dass du Freude daran hast – Vergesse was andere tun oder was du denkst tun zu müssen. Ernähre dich gut und gönne dir etwas Ruhe.
Ich kann nicht genug betonen, wie sehr es mir geholfen hat, mit anderen Menschen zu sprechen.
Als ich mich Kollegen, Partnern und Freunden gegenüber öffnete, war ich überrascht, wie viele von ihnen nachempfinden konnten, wie es mir ging. Ich wurde von Vorgesetzten unterstützt, die mir sagten: “Nimm dir einfach den Nachmittag frei, wir haben damit kein Problem” oder “Du stirbst nicht, wenn du heute Abend nicht zum Training gehst.” Der Austausch mit anderen half mir dabei mich von meiner inneren Stimme zu befreien, die mir ständig sagte “Ich bin nicht gut genug”.
Sei mutig, bleibe dir selbst treu und hinterfrage deine Handlungen./
Sei mutig, bleibe dir und deiner Motivation treu./
Sei mutig und bleibe dir und deiner Frage nach dem „Warum“ treu. Ja, das ist leichter gesagt als getan und manchmal braucht es einen Burnout, um zu erkennen, was wirklich wichtig ist.
Zeige dir selbst und anderen gegenüber Mitgefühl. Schließlich sind wir alle nur Menschen und es ist ganz natürlich, dass wir alles haben wollen!
Was am Ende des Tages am wichtigsten ist – tue es aus Liebe zur Sache/ do it for the love of it.
Picture Credits: Neil Kerr & Linda Paluc