Vom Land der tausend Hügel in die Schweizer Alpen
Vom Traum zur Realität
Swiss Epic, ein Rennen, welches ich schon lange machen wollte und heuer hat es geklappt. Aber dass der Wettkampf nicht im Vordergrund stehen sollte, war so anfangs nicht gedacht. Das Race ist ein Teamrennen, wie bei Mountainbike Etappenfahrten oft üblich und zählt zur höchsten Kategorie der Weltrangliste. Dennoch tat ich mir bei der Partnersuche schwer und so nutzte ich die Option, einem Fahrer aus Rwanda die Chance seines Lebens zu geben.
Didier Munyaneza wurde kurzerhand eingeflogen, er ist Trainer der Twin Lakes Cycling Academy und einer der besten Straßenfahrer seines Landes. Die Academy werden Kumpel und Fotograf Don Ailinger von hier aus supporten, denn dort werden Straßenkinder über das Fahrrad wieder an die Schule gebracht und bekommen Heimat wie auch Zukunft. Gleichzeitig wollen wir den MTB Sport im Land pushen und Didier soll dafür vom Roadie zum Biker werden. Für ihn eine größere Chance zu einer WM oder gar Olympia zukommen als im Straßenradsport und für die Academy eine unheimlich große Reputation.
Mit dem Rennen im Schwarzwald ging es los, danach folgten ein paar Tage Technik-Training und schon standen wir am Start der Swiss Epic in Arosa. Bis Rang 30 sollte es Weltranglistenpunkte geben und somit war das Ziel klar. Gar nicht so einfach inmitten einiger Weltklasse Teams und Sportler, vor allem aber gar nicht so einfach, wenn es auf einmal 15 km am Stück auf Trails bergab gehen sollte. Denn die Fahrtechnik war trotz zweier Wochen auf dem Bike das große Manko und die Strecken in der Schweiz fahrtechnisch sehr anspruchsvoll. Didi meisterte es aber souverän und vor allem sturzfrei. Unsere Taktik war ein wenig anders als in MTB Teamrennen üblich. Oft schickte ich ihn am Berg vor und sammelte ihn in den Trails recht schnell wieder ein. Er besitzt einen großen Motor und ist wie gemacht für das Berg hochfahren, dazu kommt er aus der Höhe und hatte hier im Gegensatz zu mir von Beginn an keine Probleme. Wenn ich ihn dann aufgefahren hatte, hieß es gut zureden. Tipps zur Position auf dem Bike, Linienwahl, Bremsen und so weiter. Ich versuchte ohne Druck Lehrer zu spielen und zu vergessen, dass wir eine Startnummer am Lenker hatten. Oft fuhr ich aber auch einfach nur hinterher, denn dann schien Didi sicherer und schneller zu sein. Die Eindrücke auf und neben der Strecke waren für seinen Kopf oft recht viel, daher hieß es für mich manchmal „Klappe halten“ und ihn machen lassen.
„Didi darf stolz sein, die ersten UCI Marathon Weltranglistenpunkte für Rwanda geholt zu haben.“
Tag für Tag harmonierten wir besser und wenn auch in kleinen Schritten, ging es auch schneller bergab. So platzierten wir uns immer um die Positionen 20-25 und damit konnte man zufrieden sein. Das beste Tagesergebnis holten wir auf der Königsetappe vom Flims-Laax nach Davos. Gleichzeitig war dies auch Didis erste MTB Fahrt im Regen und auf nassen Wurzeln, doch da es mehr Höhen- als Tiefenmeter zu machen galt und uns auch die 100 km entgegenkamen, schafften wir es hier auf Platz 21 ins Ziel. Der letzte Tag, so hoffte ich, sollte das Highlight werden. Denn gleich nach dem Berg ging es bergab und wir kamen auf Rang 15 über den Gipfel, da kam bei mir auf einmal richtig Rennfeeling auf. Die Trails schienen nicht sehr schwer und da es von oben trocken war, dachte ich, Didi wird das bergab schon meistern. Leider waren viele nasse Wurzeln und auch der Abgrund an den zig Panoramatrails dann doch zu viel für ihn. Sein Kopf blockierte, die Bremse mehr zu wie auf und auch ich musste mental leiden.
Auf Rang 25 in der Gesamtwertung haben wir die fünf Stages am Ende aber dennoch überraschend gut und vor allem lehrreich zu Ende gebracht. Didi darf stolz sein, die ersten UCI Marathon Weltranglistenpunkte für Rwanda geholt zu haben. Für mich, meine Familie und alle Leute, die uns näher gekommen sind, war es eine sehr „erdende“ Zeit, da die Unterschiede in Kultur, Herangehensweise und Lebensstandard doch unterschiedlicher kaum sein könnten. Mein Dank gilt nicht nur Didi, der sich einfach ins eiskalte Wasser hat schmeißen lassen, sondern auch Pivot Cycles für das zur Verfügung stellen eines World-Class-Bikes. Genauso wie mein langjähriger Partner enerquinn, welcher vor allem im ersten Besuch in Rwanda im März einen großen Anteil hatte, so wie Squirt Lube für den Startplatz am Swiss Epic.
Für Didi geht es nun wieder in die Heimat, erst einmal ohne MTB. Aber er will auf diesem weiter machen und hat dazu einige Aufgaben von mir mitbekommen. Somit ist eines meiner Ziele klar, ihm und der Twin Lakes Cycling Academy recht schnell ein paar Bikes zu organisieren. Hierzu wird in den nächsten Wochen noch mehr passieren und gerne könnt ihr bei Interesse zu helfen oder bei Ideen schon jetzt auf mich zukommen. Zusammen heißt es nun „Shift up for Rwanda“!
Text: Daniel Gathof
Fotos: Don Ailinger und Igor Schiffris.